Abfall und Recycling…
In verschiedenen Beiträgen und Reportagen haben wir gesehen, dass die Mülltrennung in Schweden so kompliziert sein soll. Aber stimmt das?
Aus Deutschland kennen wir ja die Restmülltonne (schwarz), die Papiertonne (blau oder grün), den gelben Sack (oder regional die gelbe Tonne) und ggf. die Biotonne (braun oder grün). In Schweden ist das genau so, nur anders. In Deutschland wird beispielsweise Karton und Papier in eine Tonne geworfen und später in der Müllanlage sortiert. In Schweden liegt die Verantwortung hier eher bei der einzelnen Person. Der Ansatz ist hier folgender: Die Menschen wenden beim Wegwerfen ein bisschen Zeit auf, um Pappe und Papier separat wegzuwerfen, dafür spart man sich in der Müllanlage VIEL Zeit, weil man kaum nachsortieren muss. Typisch skandinavisch wird hier das Individuum in die Pflicht genommen um der Gemeinschaft zu helfen – ein weit verbreiteter und kulturell verankerter Ansatz in vielen Bereichen des Lebens. Wie genau erfolgt denn nun die Trennung? Vor unserem Haus stehen im Moment zwei Mülltonnen, die für den Fahrer des Müllwagens (nur eine Person, der für alles zuständig ist) mit „1“ und „2“ beschriftet ist, da beide Tonnen schwarz sind. Man beachte auch hier die zusätzliche Rolle, damit die Tonnen leichter zu bewegen sind und sich somit der arme Mensch nicht so abmühen muss – auch typisch skandinavisch: man möchte seinen Mitmenschen nicht zur Last fallen und ihnen unnötige Arbeit machen. Noch dazu dürften die Tonnen länger halten, da sie nicht ständig mit der Kante über den Asphalt geschleift werden müssen.
Das Innere der Tonnen ist jeweils in vier Bereiche unterteilt, wobei die vorderen beiden zusammenhängen und in die große Tonne eingehängt sind. Tonne Nr. 1 besteht aus den Fächern Biomüll, Restmüll, Zeitungen und Buntglas. Die Tonne 2 aus den Fächern Kunststoffverpackungen, Pappe, Metall und Weißglas. Nach diesem System trennt man also in Schweden den Müll. Geleert werden die Tonnen mit einem Fahrzeug, in das die Tonne hinten eingehängt wird – soweit kein Unterschied zu Deutschland. Beim Anheben der Tonne werden jetzt allerdings die eingehängten Fächer separat angehoben und oben in das Fahrzeug gekippt, während der Inhalt der großen Tonne hinten in das Fahrzeug entleert wird. Der Inhalt wird also jeweils links und rechts in ein separates Fach entleert.
Sollte das Volumen der Tonne einmal nicht für den Abfall ausreichen, muss man nicht wie in Deutschland eine kostspielige Sonderleerung beantragen oder zusätzliche (natürlich zertifizierte) Müllsäcke kaufen, sondern dafür gibt es in fast jedem Ort Recyclingstationen mit großen Containern, bei denen nach dem selben Prinzip getrennt wird, wie bei den Mülltonnen.
In ländlichen Gegenden kann es vorkommen, dass man nur eine Restmülltonne (Aussehen und Funktion wie in Deutschland) vor dem Haus stehen hat, und andere Abfälle wie Papier, Pappe oder Glas generell zu einer Recyclingstation bringt. Dort werden auch Gartenabfälle wie Laub oder abgeschnittene Äste meist verfeuert oder in den Wald hinter dem Haus (der in vielen Fällen zum Grundstück gehört) geworfen. In stadtnähe gibt es hierfür extra grüne große Tonnen (wie die vor unserem Haus), die allerdings nur ein Fach haben und ebenfalls abgeholt werden. Wer hier ein Ferienhaus besitzt, das nur in den Sommermonaten genutzt wird, kann sich für die „Sommerleerung“ eintragen lassen und spart dadurch ein wenig Kosten. Apropos Kosten: je nach Region fallen hier wohl Gebühren von umgerechnet 80 bis 120 Euro pro Jahr an.
Das Trennsystem und die Farben der Tonnen unterscheiden sich je nach Region und zuständiger Verwaltung. Als Tourist empfiehlt es sich, auf die Beschriftung und Bebilderung auf den Tonnen und Containern zu achten, dann kan man fast nichts mehr falsch machen.
Auch auf unterirdische Entsorgungssysteme wie in Hammarby (Stockholm) muss man sich gefasst machen, da dort der Abfall über Rohrsysteme mit Druckluft zur nächsten Recyclingstation geblasen wird.
Etwa 50% des Mülls wird in Schweden verbrannt, die andere Hälfte wieder als Rohstoff aufbereitet. Schweden wirbt mit einer Recyclingquote von 99%, denn dort wird der verbrannte Müll dem Recycling zugeordnet, während das in Deutschland nicht der Fall ist. Warum das? Der brennbare Müll (Restmüll) wird verheizt und zur Stromgewinnung und für Fernwärme eingesetzt – das sogenannte „Waste to Energy“. Der Biomüll wird zur Erzeugung von Biogas eingesetzt – ein Verfahren, das mittlerweile auch in Deutschland angekommen ist. In Sachen Abfalltrennung/Recycling/Wiederverwertung ist Schweden eindeutig ein Vorreiter mit kreativen Ideen und Lösungsansätzen. Ein wenig mehr Innovation würde ich mir auf diesem Gebiet von Deutschland auch wünschen.